1998 Der Neurosenkavalier
Der Neurosenkavalier
Westerwälder Zeitung, Dienstag, 08. Dezember 1998
Theatergruppe gelang tolles Debüt.
Dorfgemeinschaftshaus von Gemünden verwandelte sich in Sprechzimmer eines Psychotherapeuten.
Kein Schneetreiben konnte das Publikum vom Besuch beim „Neurosenkavalier“ im Gemündener Dorfgemeinschaftshaus abhalten. Die Laienspieltruppe „fratze im kopp“ spielte ihre Komödie an drei Tagen vor vollen Rängen.
GEMÜNDEN. Der Arbeitsaufwand und die Aufregung der Gruppe, die aus Mitgliedern der Freiwilligen Feuerwehr Gemünden besteht, hatte sich voll und ganz gelohnt, wie die zahlreichen Lacher und der Applaus bewiesen. Die Stimmung im Saal war hervorragend, jeder Schauspieler wurde mit Beifall begrüßt.
Besonders die Kinder freuten sich über die seltsame psychische und physische Veränderung der Erwachsenen.
Ein diebischer Weihnachtsmann (Dietmar Wolf), der sich in verschiedenen Westerwälder Aldi-Filialen immer nur selbst „beschenkte“, entwickelt sich zum begabten Psychotherapeuten und entdeckt seinen guten Kern.
Ermöglicht wird ihm das durch die gutgläubige und süße Sprechstundenhilfe Fräulein Engel (Monika Fialho), die ihn für die Vertretung ihres Chefs hält, der Nervenarzt ist. Die eigentliche Vertretung (Andreas Kessler als Dr. de Witt) ist mehr mit den Reizen der Sprechstundenhilfe beschäftigt – während der „Weihnachtsmann“ seinen neuen Pflichten nachgeht und sich um seine Patienten kümmert.
Er therapiert erfolgreich eine frustrierte Bestsellerautorin (Andrea Görg) im Bikini, einen wahnwitzigen Finanzbeamten (Arno Eckstein) macht er zum King Elvis und den depressiven Kommissar Maiwald (Fred Kessler) zum Helden. Die kleptomanische Witwe (Margit Kessler) kann hingegen nur die Liebe heilen ... Zwischendurch hält Moderator Eric Fritsch die Zuschauer mit Radionachrichten über die Geschehnisse im Westerwald auf dem laufenden.
Eine Menge Wortwitz versprüht das Stück „Der Neurosenkavalier“ von Gunter Beth und Alan Cooper. Geschickt fügen sich nachdenkliche Sätze in die Lacher, und so regt die Psycho-Komödie auch ein wenig zum Nachdenken an. Außerdem ist nichts ganz so, wie es scheint. Wer hätte gedacht, dass eine Sexautorin verklemmt sein könnte und dass in dem neurotischen Finanzbeamten ein verkannter Künstler schlummert? Ein Problem ist für alle gleich: „Es geht nicht darum, was man hat, sondern was man gerne hätte.“
Geschickt wird das ins Geschehen einbezogen, sei es durch direkte Ansprache durch den Neurosenkavalier (alias Weihnachtsmann), sei es durch die Radiodurchsagen oder die Elvis-Show-Einlage mit Tanzdarbietung. Der Schauspielgruppe ist ein großartiges Debüt gelungen. Beachtenswert ist die Sorgfalt, mit der Kulisse, Kostüme und die hervorragende Technik auf die Beine gestellt wurden. In der Pause zwischen den vier Akten des Stückes wurden den Zuschauern verschiedene Getränke und appetitliche Imbisse geboten. Der Erlös der Aufführungen spendet das Ensemble „fratze im kopp“ für die Finanzierung eines neuen Gemündener Feuerwehrautos.